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Gefährdungsbeurteilungen für die Elektrotechnik – Nichts für Theoretiker!

# 3  /  14.07.2022

Eins der wichtigsten Instrumente der Arbeitssicherheit, so auch in der Elektrosicherheit als Teilgebiet der Arbeitssicherheit, ist die „Gefährdungsbeurteilung“ (GB). Ein sehr strapazierter Begriff, der den meisten Praktikern im Tagesgeschäft sehr fremd vorkommt und als unnötiger formaler Ballast empfunden wird.

In unserer Beratungspraxis stellen wir leider immer wieder fest, dass es den Elektrofachkräften (auch in Führungsfunktion) sehr schwerfällt, einen Nutzen in diesem Instrument zu sehen. „Ich habe sowieso keine Zeit und soll jetzt auch noch Gefährdungsbeurteilungen machen, dann komme ich ja gar nicht mehr zu meiner Arbeit“, so oder so ähnlich klingt das dann.

Genährt wird das Ganze auch noch dadurch, dass auf diversen Seminaren eher theoretisch an die Thematik herangegangen wird. Da werden Tools vorgestellt, mit denen man die Gefährdungsbeurteilung erstellen kann. Es werden seitenweise Gefährdungsfaktoren besprochen und ausgedachte Fälle in Ermangelung realer Praxisbeispiele ausdiskutiert. Diese beziehen sich dann in der Regel auch noch auf den Arbeitsplatz „Bürobereich“ oder auf den Klassiker „Bohren von Löschern in eine Wand“. Der Praktiker, hier die EFK, ist damit oft überfordert und hat trotzdem keinen Bezug zu ihrer täglichen Arbeit. In der Rolle eines Meisters bleibt die „Gefährdungsbeurteilung dann bei ihm hängen“ und verstaubt als Zettelwirtschaft in einem Ordner im Regal und ward nie mehr gesehen.

Vor der Gefährdungsbeurteilung

Nach der Gefährdungsbeurteilung

Vor der Gefährdungsbeurteilung

Nach der Gefährdungsbeurteilung

Daher hat es sich in unserer Beratungspraxis extrem gut bewährt, mit den Kollegen aus der Elektrotechnik vor Ort am realen Arbeitsplatz die realen Tätigkeiten gemeinsam im kleinen Team zu beleuchten und ganz systematisch im Workshop die echten Gefährdungen herauszuarbeiten.

Hierbei nehmen wir uns gerade die Fälle vor, die „unangenehm“ sind. Das soll heißen, wir suchen uns z.B. die elektrischen Anlagen oder Tätigkeiten heraus, die als riskant eingeschätzt werden, wo man Erfahrung braucht und der Kollege aus der Praxis sein persönliches Know-How einspielen kann.

„Was ist denn aus Ihrer Sicht hier vor Ort die gefährlichste Situation bei der Arbeit“ frage ich den Instandhalter, und zeige auf eine sehr alte Bestandsanlage aus den 70er Jahren. Daraufhin erzählt er mir in allen Einzelheiten was alles „schief gehen kann“ und wie brenzlich die Situation mit Zeitdruck, Personalmangel und alter Technik sein kann.

Er vergißt dabei in seiner emotionalen und angepackten Situation ganz, dass wir gerade eine Gefährdungsbeurteilung machen. Im Verlaufe der Schilderungen und Vorführungen halten wir in Checklisten die wichtigsten Ergebnisse gemeinsam fest.

Vor der Gefährdungsbeurteilung

Nach der Gefährdungsbeurteilung

„Aber was soll ich denn machen“, fragt er mich. „Ich muss damit doch leben und bis jetzt ist doch alles noch gut gegangen.“

„Ja“ sage ich, „bis jetzt schon.“, und ich füge noch lachend hinzu, dass er keinen Arbeitsvertrag geschlossen hätte, in dem drinsteht, dass er sich für seine Arbeit und seinen Arbeitgeber umbringen muss und dass wir mit dieser Gefährdungsbeurteilung, die er gerade mit durchgeführt hat, sehr bald die Bestandsanlage ändern und sicherer machen werden.

„Meinen Sie wirklich?“, fragte er ganz ungläubig. „Ja“, sage ich, eine richtig eingesetzte Gefährdungsbeurteilung ist das schärfste Schwert der Arbeitssicherheit und damit der Elektrosicherheit“. Hiermit kann man Missstände ändern, Arbeitsplätze und Tätigkeiten sicher machen.

Darum geht es und um nichts anderes!